Altjahresabend (31. Dezember 2012)
Dekan i.R. Eberhard Dieterich, Heidenheim
Römer 8, 31-39
Liebe Gemeinde,
am Ende des Jahres gehen unsere Gedanken zurück und voraus.
Wir wissen genau: Es ist nicht alles im zu Ende gehenden Jahr gut geworden
und: Wir kennen den Weg nicht, den wir vor uns haben.
Im Evangelischen Gesangbuch findet sich nach Nr. 63 (S. 155) ein Text aus China.
Er hat mich nachdenklich gemacht:
"Ich sagte zu dem Engel,
der an der Pforte des neuen Jahres stand:
Gib mir ein Licht,
damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit
entgegengehen kann.
Aber er antwortete:
Gehe nur hin in der Dunkelheit
und lege deine Hand in die Hand Gottes!
Das ist besser als ein Licht
und sicherer als ein bekannter Weg!"
I.
Das ist der Grund,warum wir heute Gottesdienst feiern.
Wir wissen ganz genau: all' unsere Zeit ist geschenkte Zeit.
Und wenn wir nun wieder ein Jahr recht und schlecht beschließen können und in ein neues Jahr gehen,dann können wir nichts dafür. Es ist geschenkt.
Und: Wir kennen den Weg vor uns nur wenig.Und da wäre es gut, ein Licht zu haben.
Aber der Gottesbote sagt: "Und lege deine Hand in die Hand Gottes!
Das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg!"
Können wir das? Einfach unsere Hand in die Hand Gottes legen?
Wie soll ich das machen?
II.
Wir können es oft nicht.
Wir haben schlechte Erfahrungen.
Wir leiden.
Wir leiden unter Leiden...
-Du siehst nicht hinaus.
-Du stehst verzweifelt an einem Sterbebett und verstehst nichts mehr.
-Du...siehst die Leiden der Anderen.
Gott ist da und leidet mit.
Paulus sagt es so:"Denn ich bin gewiss,dass weder Tod noch Leben weder Hohes noch Tiefes noch eine irgend etwas anderes kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn."
So sind wir eingeladen:
Vertrau darauf -
-wenn du nicht hinaussiehst,
-wenn du verzweifelt an einem Sterbebett stehst und nichts mehr verstehst,
-wenn du...die Leiden der anderen siehst.
Nicht billiger Trost, sondern Staunen.
Pass auf! Das neue Jahr wird recht.
"Nichts...kann uns scheiden von der Liebe Gottes."
Und nun das, was wir meistens vergessen: Wenn wir nicht glauben, Gott glaubt an uns.
Wenn wir nicht weiter sehen, Gott nimmt an der Hand und führt. Er nimmt uns im Namen Jesu einfach an der Hand und führt und leitet. Weil Gott seine Hand nach uns ausstreckt,deshalb können wir uns leiten lassen.
"Lege deine Hand in die Hand Gottes!
Das ist besser als ein Licht
und sicherer als ein bekannter Weg!"
III.
Noch einmal:
Kann das sein?
Wir kennen uns doch.
Wir haben es nicht verdient.
Wir werden auch im Jahr 2013 nicht vorbildlich sein.
Wir werden nicht aus unserer eigenen Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit leben können.
Aber Gott nimmt uns an der Hand, und wir sind ihm recht – um Jesu willen.
Er leitet mit Güte und Liebe - und Verzeihen ist sein erstes Wort.
IV.
Wenn Gott uns so an der Hand nimmt, hat das Folgen. Nicht immer solche, wie wir sie uns wünschen.
Jesus muss für das, dass er Gottes Güte in unserer Welt glaubt, leiden.
Mit denen, die sich in den Fußspuren Jesu ihren Weg suchen, meint man schnell,man könne alles mit ihnen machen.
Man hält uns für Schafe, die man schlachten kann.
Wenn wir der Liebe und der Güte das erste Wort geben,
dann gerät man in Widerspruch.
Unsere Welt lebt von Ellenbogen und vom Recht haben.
Die Liebe ist eigentlich nicht gefragt.
Nach der fragen wir erst, wenn uns der Atem ausgeht.
Und wenn dann die rechtschaffenen Rechthaber das Wort behalten, glauben wir ihnen –
Aber: "Nichts...kann uns scheiden von der Liebe Gottes."
V.
Ich möchte noch einen Schritt weiter denken.
Ich verstehe Gottes Güte und Liebe nicht.
Ich sehe sie auch oft nicht - und muss mich dann zu dem Jesus flüchten, der auch am Kreuz noch für seine Henker um Vergebung bittet.
Aber wenn diese Liebe das erste und letzte Wort hat, dann werden wir lernen: nicht Wegsehen, sondern Hinsehen.
An der Hand Gottes gehen uns die Augen auf für die anderen.
Sie wissen: das fängt im Kleinen an.
Das ist mühselig.
Ich möchte oft auch mich nicht von anderen stören lassen.
Aber für die Christen gilt besonders:offene Augen, da wo die anderen wegsehen.
Wir werden auch 2013 ein schwieriges Jahr vor uns haben.
Wir werden Widerstand leisten müssen:
-gegen die eigenen Fluchtversuche,
-gegen die Versuche, sich wegzustehlen und wegzuschauen,
-gegen die Menschenverachtung, die bei uns aus Menschen nur noch Kostenfaktoren macht,ob das bei der Arbeit oder im Pflegeheim ist.
Menschen dürfen sich nicht bloß als Rechenmasse fühlen.
"Lege deine Hand in die Hand Gottes!
Das ist besser als ein Licht
und sicherer als ein bekannter Weg!"
"Nichts...kann uns scheiden von der Liebe Gottes."
Darauf wollen wir hoffen – nicht nur für uns, sondern für alle.
Amen.
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